Bad Emser Karneval gibt’s schon seit Kaisers Zeiten

„Prinz Hugo I“: Idol der frühen Nachkriegszeit und vor 60 Jahren Mitbegründer der EKG

Bad Ems hat eine lange Karnevalstradition, die in der frühen Kaiserzeit beginnt. Schon damals gab es illustre Bälle in den Hochburgen „Hotel Römerbad“, im Kurhaus und im Kursaal, aber auch in den großen Festsälen der damaligen Altstadt.

Seit 1903 erschien in Bad Ems eine eigene Karnevalszeitung, 1904 fand die 1. Damensitzung der damaligen „Narhalla“ statt, und bereits in den frühen 20er Jahren spielte eine zwölfköpfige Jazzband des Rudervereins mit dem damals legendären Schlagzeuger Karl Groß im Hotel Römerbad (heute Statistisches Landesamt). Später ergänzte der Straßenkarneval mit ersten Festumzügen das närrische Geschehen, es waren turbulente Veranstaltungen, die mit dem Kriegsbeginn nach 1939 endeten.

 

Die Nazis hatten den Karneval bereits seit 1933 durch die so genannte „Gleichschaltung“ vereinnahmt, „nordisch-germanisch“ sollte es zugehen und nach strengen Vorschriften. Männern war bei Strafe verboten, in Frauenkleidung aufzutreten, Marschmusik und Walzer dominierten bei den Kostümbällen, Swing und Jazz standen als „undeutsch“ auf dem Index. Nur der Rassenhass durfte grenzenlos ausgelebt werden, die jüdischen Mitbürger waren in Festumzügen und bei Büttenreden das Ziel von Beleidigungen, Verleumdungen, Hohn und Spott. Und die Partei war mit ihren scheppernden Sammelbüchsen immer dabei, die NSDAP kassierte sogenannte „Rosenmontagsgroschen“. Einer der letzten Vorkriegs-Prinzen war der bekannte Emser Tabakwarenhändler Ludwig Pammer alias „Ludwig I von Pammerstein“ (Session 1935/36).

 

Erst in den späten 40er Jahren lebte der organisierte Frohsinn wieder auf, Büttenreden und Karnevalsbälle fanden in den damaligen Hochburgen „Heuser-Flöck“, im Saalbau „Krone“ statt, aber auch in verschiedenen Vereinslokalen und im damaligen Canisiushaus. Höhepunkte der Fünfziger Jahre waren die Feiern des Rudervereins im „märchenhaft schön dekorierten Konzertsaal“ (Zitat aus der Lahnzeitung vom 2.2 1953), der Traditionsball „Narrenschiff“ im Saalbau Heuser-Flöck (heute „Alt-Ems“) und der spektakuläre Rosenmontagsball der Sängervereinigung „Glück auf“. Bis 1955 existierte zwar noch keine eingetragene Narren-Gilde, doch für „Spaß an der Freud“ sorgten die beiden närrischen Gruppierungen „Emser Carnevals Club“ und „Emser Karnevalsverein“.

 

Schon zwei Jahre zuvor herrschten wieder Tollitäten: mit „Prinz Hugo von Horrexen“ (Hugo Schmitz, Renn- und Testfahrer der HOREX-Werke) und Prinzessin Ellen (Ellen Glasmann) war Bad Ems im Jahr 1953 neben Mainz und Koblenz ein karnevalistisches Zentrum am Mittelrhein, die noch vereinslose Prinzengarde „Blau–Gelb“ und ein autarker Elferrat begleiteten die ersten Nachkriegsregenten.

 

„Heute großer Tag für Prinz Hugo I.“ meldete die Lahnzeitung am 1. Februar 1953 zum Auftakt der Session um 16.31 Uhr mit dem Einmarsch in die Prinzenburg „Hotel Kaiserhof“ und der gegen 20.11 Uhr folgenden Prunksitzung im Großen Konzertsaal des Kurhauses. Prinz Hugo organisierte zum Fastnachtssonntag 1953 auch den ersten Karnevalsumzug nach 1945, dichte Zuschauerreihen säumten an jenem 15. Februar die aus Kapellen, Festwagen und bunten Fußvolk bestehende kilometerlange Kolonne, die in der Mainzer Straße startete und in der Marktstraße endete. Es herrschte eine ausgelassene Volksfeststimmung, Anwohner des Zugweges hatten auf Wunsch des Prinzenpaares ihre zu voller Lautstärke aufgedrehten Radios und Plattenspieler in die Fenster gestellt.

 

Diese Kampagne wurde eine der spektakulärsten in der Emser Karnevalgeschichte, und der damals amtierende Hugo I. als Motorsportler „schnellster Prinz des rheinischen Karnevals“, sowie einer der beliebtesten närrischen Regenten der Nachkriegszeit. Noch viele Jahre danach sang man das über die Stadtgrenzen bekanntgewordene Liedchen „Der Hugo kommt, der Hugo kommt, der Hugo ist schon da“. Auch die Roten Husaren sind 1956 durch die Initiative von Schmitz entstanden und seit 1957 eine feste Instanz des Emser Karnevals. Und viele Emser erinnern sich an Prinz Hugos bürgernahes Engagement: Zum Rosenmontag 1953 bekamen alle Bad Emser Kinder erstmals schulfrei, nachdem die Prinzengarde ihre Lehrer zum spontanen „Lehrerfrühstück“ abgeführt hatte. Am folgenden Dienstag wurden 85 Kinder von besonders bedürftigen Familien im Cafe Maxeiner mit Kakao und Kuchen bewirtet.

 

„Rennfahrer mit Sex-Appeal“ titelte die HOREX-Hauspost, eine Zeitschrift für Horex-Fahrer in ihrer Ausgabe Nr. 2 des Jahres 1953 über den mehrfachen Goldmedaillengewinner. Textauszug: „Wenn der Hugo mitfährt, dann interessieren sich sogar Damen für Motorradrennen, meinte mal ein erfahrener Rennleiter.

 

Zwei Jahre nach der turbulenten „Schmitz“-Session befürchteten die wiedererwachten Narren eine Karnevalsflaute und gingen in die Offensive. Bekannte Emser Geschäftsleuten engagierten sich für eine fest etablierte Institution, sie planten die daraus entstehende EKG, die später juristisch und dem Vereinsregister als „Große Bad Emser Karnevalsgesellschaft e. V“ gemeldet wurde. Die damals festgelegten Grundsätze: „Unpolitisch, auf breitester Grundlage im Sinne eines Volkskarnevals, frei von Zoten und nur darauf bedacht, für Bad Ems Ehre einzulegen und den Menschen Freude zu bereiten.“

 

Der heutige Traditionsverein wurde am 15. Februar 1955 im Konferenzsaal der bekannten Eltviller Sektkellerei Matheus Müller (MM) aus der Taufe gehoben und 25 Meter tiefer in den kühlen „Promille-Katakomben“ mit viel Helau begossen. 40 mitgereiste Teilnehmer einer Herrenpartie, unter ihnen Bürgermeister Waldemar Kühnel, traten der neuen Narrenunion sofort geschlossen bei.

 

Die EKG entstand an jenem Dienstagmittag im Rahmen einer vorgeplanten Herrenpartie, organisiert von den „Drei Musketieren“ (Kaufmann Raimund Schandua, Konditor Willi Maxeiner und Uhrmachermeister Ernst Bonin), tastkräftig unterstützt vom ersten Nachkriegsprinzen Hugo Schmitz. Die gleichgesinnte Männerrunde startete um 9 Uhr mit dem Emser Busunternehmen „Krämers Reisedienst“, ihre erste Etappe führte über den verschneiten Taunus nach Holzhausen a. d. Heide zum „Schlachtschüssel-Essen“ ins Gasthaus Schmidt (Das Lokal war bereits mit den Emser und altnassauischen Fahnen geschmückt). Dann ging es zur MM-Sektkellerei nach Eltville, von dort weiter nach Bingen und über die inzwischen glatteisbedeckte Rheinuferstraße nach Koblenz, in der damals bekannten Gaststätte „Mainzer Rad“ (Ecke Schenkendorfstrasse/Mainzer Straße) wurde der aus sieben Personen bestehende Vorstand als „Aktionsausschuss“ gewählt. Die letzte Etappe der neuen Narrenzunft endete schließlich mit einem feucht-fröhlichen Schlussgespräch im Gasthaus Heuser-Flöck. Dem inoffiziellen Bestehen der EKG folgte am 20. April 1955 die formelle Gründung mit Festlegung der Vereinssatzung und wenige Wochen später der Beitritt als 181. Mitglied zur „Interessengemeinschaft mittelrheinischer Karneval“ (Mainz). Zuhause wurde schon vorher aufgerüstet, neben der Prinzengarde formierte sich ein durchtrainiertes Tanzkorps mit neun hübschen jungen Emserinnen, die zur Session 1955 erstmals auftraten. Die Männer der ersten Stunden rechneten mit starken Zuspruch, schon sechs Tage nach dem inoffiziellen Start hatten sich 100 Karnevalisten angemeldet, die Zielvorgabe von 300 neuen „EKGlern“ war bald erreicht – und entgegen dem allgemeinen Trend des Mitgliederschwunds ist es bei diesem starken Rückhalt geblieben.

 

© W. Dieterichs / RLZ

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